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Politikdidaktische
Ansätze zur EU-Vermittlung
Einleitung
Eine Durchsicht der einschlägigen
politikdidaktischen Literatur zum Thema Europa bzw. Europäische Union
[1] im deutschsprachigen Raum fördert Überraschendes zutage: Statt sich mit
einer der Bedeutung des Themas angemessenen Überfülle an Publikationen
auseinandersetzen zu müssen, lassen sich die Beiträge fast an einer
Hand abzählen! Insofern ist dem Herausgeber des jüngst erschienenen
Bands "Europa verstehen lernen" zuzustimmen, wenn er schreibt, dieses
Buch wolle "eine Lücke auf dem Publikationsmarkt schließen".
[2]
Da die meisten anderen Publikationen zum Thema älteren Datums sind,
was angesichts der rasanten Entwicklung der EU seit Mitte der 80er
Jahre und der epochalen Umbrüche der Jahre 1989/90 bedeutet, dass sie
von einem Europa sprechen, das es nicht mehr gibt, erscheint es
gerechtfertigt, die in diesem Abschnitt der Arbeit
vorzunehmende Vorstellung des Forschungsstands - die Diskussion der vorhandenen didaktischen Ansätze
der EU-Vermittlung -, entlang dieses Sammelbands
vorzunehmen. Das erlaubt zugleich eine
vertiefte Auseinandersetzung mit den dortigen Beiträgen, die
vom Herausgeber in drei
Kategorien eingeteilt wurden: |
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-
I. Fachwissenschaft: Drei
Aufsätze von sehr unterschiedlicher Qualität beschäftigen sich mit
dem Versuch eines Überblicks (Alparslan Yenal), den Wahlen zum
Europäischen Parlament (Wichard Woyke) und der Frage "Was ist Europa?"
anhand der Debatte um den EU-Beitritt der Türkei (Gotthard Breit)
... [... mehr]
-
II. Fachdidaktik: In acht
Aufsätzen geht es um - so der Titel des einleitenden Aufsatzes des
Herausgebers - "Konturen einer europazentrierten Politikdidaktik".
Dieser Teil ist für die hier zu behandelnde Thematik - die
Diskussion vorhandener didaktischer Ansätze der EU-Vermittlung - von
besonderer Bedeutung ... [... mehr]
-
III. Unterrichtspraxis:
Acht Aufsätze stellen verschiedene Praxisbeispiele von einer
"Konferenzsimulation zur
europäischen Umweltpolitik" (Holger Müller) über eine Fallanalyse
zur europäischen Außenpolitik (Ingo Juchler) bis zur "Osterweiterung
der Europäischen Union als Spiel im Unterricht" (Dirk Weller) vor
... [... mehr]
Zusammenfassung der Erkenntnisse
Generell lässt sich feststellen, dass das Themengebiet "Internationale
Beziehungen" - und damit auch die EU, weil sie nach wie vor in diesen
Bereich eingeordnet wird - eine
mangelnde Berücksichtigung in der Politikdidaktik erfährt.
[3]
Was das Thema "Europa" betrifft, versucht der im Jahr 2004 erschienene
Sammelband "Europa verstehen lernen" [4], diesem
Defizit entgegenzuwirken.
Eine Bestandsaufnahme zeigt, dass Europa mit der EU identifiziert
und in Lehrplänen und Schulbüchern in der Regel als ein
Gegenstandsbereich neben anderen abgehandelt wird.
Diese Vorgehensweise geht an
der Realität des verflochtenen EU-Mehrebenensystems
vorbei.
Weißeno stellt sich diesem Problem mit einem neuen
Konzept: "Das Konzept
einer europazentrierten Politikdidaktik ... verlagert den bisher
nur isoliert betrachteten Gegenstand Europa in alle relevanten
Gegenstände." [5] Europa wird nicht mehr - wie in der "traditionellen"
Politikdidaktik - als ein Thema neben anderen unterrichtet, sondern im
Rahmen eines jeden Themas, das europäische Bezüge aufweist. "Europa
ist gleichsam eine Teilmenge vieler 'nationaler' Gegenstände"
[6] (»
EU und Fachdidaktik).
Festzuhalten bleibt,
dass die grundsätzliche Problematik politischer Bildung angesichts
europäischer Mehrebenenpolitik Eingang in die Debatte gefunden hat,
dass diese Debatte bislang aber über die Formulierung sehr allgemeiner
Handlungsempfehlungen nicht hinausgelangt ist.
Hinzu kommt, dass man Gefahr läuft, vom Regen in die Traufe zu kommen, wenn einer
national zentrierten Politikdidaktik eine europazentrierte folgen
soll. Nimmt man das Modell des verflochtenen Mehrebenensystems ernst, kann es gerade
keine "Zentriertheit" geben.
Eine "mehrebenenadäquate Politikdidaktik", müsste auch wichtige
Politikebenen oberhalb der europäischen Ebene einschließen, etwa die
transatlantische oder globale Ebene.
Ein weiteres Ergebnis der Betrachtung des Forschungsstands besteht
darin,
dass beim Thema "Europa" besonders auf die
grundlegenden didaktischen Prinzipien Überwältigungsverbot und
Kontroversität zu achten ist (»
didaktische Prinzipien).
Das Thema scheint in besonderem Maße zu einer einseitigen Ausrichtung
zu verführen. Eine "Erziehung zu Europa" in der politischen Bildung muss sich aber den Vorwurf
mangelnder Professionalität gefallen lassen.
Insofern ist Massing zuzustimmen, der mit Blick auf
diese Problematik und mit Blick auf die ungünstigen
Lernvoraussetzungen beim Thema Europa ausführt, dass "die wichtigste
Aufgabe des Politikunterrichts nur darin bestehen (kann), die
Sachkompetenz der Jugendlichen bezogen auf Europa und die europäische
Politik zu erweitern. Es geht auf einer soliden Wissensbasis darum,
Einsichten in das Funktionieren europäischer Politik zu ermöglichen
und die Fähigkeit zur politischen Urteilsbildung in Bezug auf die
europäische Ebene zu stärken", auch wenn dies "normativ vielleicht
etwas blass" sei. [7]
Feedback: Für diesen wie für alle anderen Teile der Arbeit
gilt, dass ich mich über Kritik und Anregungen freue und im Sinne
einer Diskussion und Weiterentwicklung der hier präsentierten Thesen
darauf angewiesen bin. Dafür steht ein Formular zur Verfügung:
» zum Kontaktformular
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Anmerkungen:
[1] |
Zu den
grundlegenden Problemen der politikdidaktischen Diskussion zählt -
ebenso wie im Alltag oder der Medienberichterstattung -, dass
selten klar zwischen Europa als geographischem und/oder
kulturellem Raum auf der einen Seite und der EU als
Integrationsverband,
der nur einen Teil der europäischen Staaten umfasst,
auf der anderen Seite unterschieden
wird. Dies geschieht auch in dem nachfolgend (Fußnote 2)
angeführten Band, worauf Karlheinz Dürr in seiner Rezension des
Bandes kritisch hinweist (in: Der Bürger im Staat 54. Jg., 1/2004,
S. 77-78).
Soll "Europa" vermittelt werden, steht also
zumeist unreflektiert und einseitig die EU im Mittelpunkt.
Anzumerken ist aber, dass auch das andere Extrem aufzufinden ist,
nämlich der etwas kuriose, aber trotzdem preisgekrönte Versuch,
Europa vermitteln zu wollen, ohne die EU auch nur im mindesten
konzeptionell zu berücksichtigen: HANS-OTTO MÜHLEISEN, Europa
vermitteln heißt Werte vermitteln; in: "Wie und wozu lernen wir,
europäisch zu denken?", Die Frage des Jahres 2000, gestellt von
Jutta Limbach, St. Ingbert 2001, S.111-141.
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[2] |
Georg Weißeno
(Hg.), Europa verstehen lernen. Eine Aufgabe des
Politikunterrichts, Bundeszentrale für politische Bildung
Schriftenreihe Band 423, Bonn 2004, S. 11.
Eine Übersicht über die (wenigen) Titel zum Thema findet sich im
Rahmen des Literaturverzeichnisses (»
Literatur zum Thema "Politische
Bildung und EU").
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[3] |
"Das Lernfeld Internationale Politik scheint ...
generell eher am Rande didaktischer Aufmerksamkeit zu stehen"
(JOACHIM DETJEN, Internationale Beziehungen - Ein vernachlässigtes
Feld der politischen Bildung?; in: Siegfried Frech u.a. (Hg.),
Internationale Beziehungen in der politischen Bildung,
Schwalbach/Ts. 2000, S. 185f.).
Das wurde auch schon in den 1970er
Jahren beklagt:
PETER PAWELKA (Hg.), Internationale Beziehungen. Ein
vernachlässigter Lernbereich, Stuttgart 1976.
In jüngster Zeit findet die Thematik allerdings verstärkt
Beachtung, wie etwa die Ergänzung der neuen Rubrik
"Curriculares" in der Zeitschrift für Internationale Beziehungen
(ZIB) dokumentiert; vgl. auch INGO JUCHLER, Politikdidaktische
Überlegungen zur Lehre im Bereich der Internationalen
Beziehungen an Schulen und Universitäten; in: ZIB 1/2005, S.
171-192.
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[4] |
Georg Weißeno
(Hg.), Europa verstehen lernen. Eine Aufgabe des
Politikunterrichts, Bundeszentrale für politische Bildung
Schriftenreihe Band 423, Bonn 2004.
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[5] |
Georg Weißeno,
Konturen einer europazentrierten Politikdidaktik - Europäische
Zusammenhänge verstehen lernen; in: ders. (Hg.), Europa verstehen
lernen. Eine Aufgabe des Politikunterrichts, Bundeszentrale für
politische Bildung Schriftenreihe Band 423, Bonn 2004, S. 113.
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[6] |
Georg Weißeno,
Konturen einer europazentrierten Politikdidaktik - Europäische
Zusammenhänge verstehen lernen; in: ders. (Hg.), Europa verstehen
lernen. Eine Aufgabe des Politikunterrichts, Bundeszentrale für
politische Bildung Schriftenreihe Band 423, Bonn 2004, S. 113.
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[7] |
Peter
Massing, Bürgerleitbilder - Anknüpfungspunkte für eine
europazentrierte Didaktik des Politikunterrichts; in: Georg
Weißeno (Hg.), Europa verstehen lernen. Eine Aufgabe des
Politikunterrichts, Bundeszentrale für politische Bildung
Schriftenreihe Band 423, Bonn 2004, S. 154.
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