Dissertation   Wie kann man komplexe Themen wie Globalisierung oder europäische Integration vermitteln?

 

 

(» Ragnar Müller)

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 Beispiel für die Umsetzung der Policy-Didaktik

 Policy-didaktische Unterrichtseinheit zur Umweltpolitik

Während der neue Ansatz der Policy-Didaktik auf den Seiten zu den Zielen des Ansatzes und zu dessen Einordnung in die aktuelle politikdidaktische Debatte theoretisch vorgestellt und verortet wurde, geht es in diesem Abschnitt um eine Skizze der praktischen Umsetzung. Wie könnte die Policy-Didaktik in der Praxis aussehen? Das soll am Beispiel des Politikfelds Umweltpolitik dargestellt werden.

Der erste Schritt besteht darin, aus der Fülle an Möglichkeiten, Umweltpolitik zum Thema zu machen, eine Auswahl zu treffen. Dabei bieten die didaktischen Prinzipien eine wertvolle Hilfestellung. Exemplarisch für das Politikfeld Umweltpolitik soll hier das globale Problem des Klimawandels im Mittelpunkt stehen. [1]


Policy-Didaktik:


» Einleitung

» Ziele des Ansatzes

» Einordnung des Ansatzes

» Beispiel für die Umsetzung
 

Das ist ein Bereich mit kaum zu überschätzender Bedeutung für die Zukunft, hilfreiche Kategorien wie Betroffenheit oder Bedeutsamkeit (Überleben der Menschheit) sind erfüllt [2], dem mit der Policy-Didaktik zusätzlich eingeführten didaktischen Prinzip der Mehrebenensensibilität kann Rechnung getragen werden, um nur einige wenige Rechtfertigungsaspekte zu benennen.

 Lernziele und didaktische Perspektive

Übergreifendes Lernziel ist das generelle Anliegen der Policy-Didaktik (
» Ziele des Ansatzes), Politik auf mehreren Ebenen und deren Verflechtung zu erkennen, also das Verstehen von Politik in entgrenzten Räumen. Mögliche themenspezifische Lernziele auf den verschiedenen Ebenen zeigt das Schaubild:




Eine mögliche didaktische Perspektive für die gesamte Einheit zum Klimawandel wäre die Frage nach dem Missverhältnis zwischen hohem Problemdruck und unzureichenden Lösungsversuchen. Es ginge dann darum, die politischen Pathologien bei der Problembearbeitung herauszuarbeiten (warum wird nichts dagegen getan, obwohl jeder weiß, dass es so nicht weitergeht?). Generelle Strukturen und Probleme der (internationalen) Politik rückten in den Mittelpunkt (Gefahren kurzfristiger Planungshorizonte, nicht-systemische Herangehensweise, Gefangenendilemma, Trittbrettfahrer, tragedy of the commons etc.), zentrale Konfliktlinien wie der Nord-Süd-Konflikt und das Spannungsverhältnis von Ökonomie und Ökologie würden deutlich.

Entscheidet man sich für diese didaktische Perspektive, könnte das Thema für die Unterrichtseinheit so formuliert werden: Warum wird der Klimawandel nicht gestoppt? Natürlich sind auch andere Schwerpunktsetzungen denkbar und sinnvoll, etwa die Betonung individueller Handlungsmöglichkeiten in einer Einheit mit dem Titel "Wie kann man das Klima schützen?" [
3] Eine solche Einheit würde neben der individuellen Verantwortung gerade auch die Interdisziplinarität der Thematik betonen, während die erste Einheit versucht, zum politischen Kern auf den verschiedenen Politikebenen vorzudringen. Beide Einheiten liessen sich problemlos im Rahmen der policy-didaktischen Einbettung konzipieren und durchführen.

 Skizze des Aufbaus der Unterrichtseinheit  




Das Schaubild zeigt einen möglichen Aufbau der Sequenz zum Klimawandel. Natürlich sind zahlreiche Modifikationen denkbar, etwa der Einstieg über ein aktuelles Thema (Elbe-Jahrhundertflut 2002 und 2006, Hurricane Katharina etc.) oder über eine der zahlreich vorhandenen guten Karikaturen zum Thema. Auch die Reihenfolge der Ebenen kann geändert werden, wichtig ist die Leitfrage als Klammer (Wie lässt sich das Missverhältnis erklären?) und das Herausarbeiten ebenenübergreifender Bezüge.

Da der Klimawandel das globale Problem par excellence darstellt, beginnt die hier skizzierte Einheit mit der globalen Ebene. Häufiger findet man die Variante des Einstiegs über die unmittelbare Erfahrungswelt der Lernenden (Schüler- und Interessenorientierung, siehe didaktische Prinzipien), also etwa auf der individuellen Ebene mit dem CO2-Fußabdruck. Das wäre auch hier möglich, zu bedenken ist allerdings, dass auch prominente globale Probleme zur (medialen) Erfahrungswelt der Lernenden zählen.

Bei einem anderen Politikfeld, etwa der Bildungspolitik, würde man
sicherlich bei der lokalen, regionalen oder nationalen Ebene beginnen. Bei dem hier skizzierten Beispiel macht es aber durchaus Sinn, mit der internationalen Klimapolitik anzufangen. Es würde also um die Rio-Konferenz 1992 gehen, um die Folgekonferenzen, das Kyoto-Protokoll, die Agenda 21 usw. Man hat es hier mit Politikprozessen zu tun, die typisch sind für internationale Politik (Aushandeln, keine Hierarchie, Machtstrukturen, Konfliktlinie Nord-Süd, Kompromisse auf kleinstem gemeinsamen Nenner etc.), und lernt das System der Vereinten Nationen kennen.

Die prominente Rolle, die NGO vor, während und nach der Rio-Konferenz gespielt haben, rückt ein zentrales Element von Politik im 21. Jahrhundert in den Mittelpunkt, nämlich die Relativierung des Nationalstaates als einzigem Akteur der (internationalen) Politik. Über die Agenda 21 ist die globale Ebene direkt mit der lokalen verbunden. Diese ebenenübergreifenden Phänomene gilt es zu betonen. Was die europäische Ebene betrifft, so bietet das Politikfeld Umweltpolitik die Gelegenheit, ein grundlegendes Element der EU-Entwicklung herauszuarbeiten, nämlich die Erschließung neuer Politikfelder durch die EU(-Kommission) über Interdependenzen mit dem Binnenmarkt, nachdem die Gemeinschaft ursprünglich für Umweltpolitik überhaupt keine Zuständigkeiten besaß.

Entsprechend der didaktischen Perspektive können auf allen Ebenen Antworten auf die Frage nach dem Missverhältnis von hohem Problemdruck und unzureichenden Lösungsansätzen identifiziert werden. En passant kommen wichtige Entscheidungssysteme auf den verschiedenen Ebenen in den Blick. Beschäftigt man sich auf diese Weise mit verschiedenen Politikfeldern, entsteht nach und nach ein fundiertes Verständnis von Politik im 21. Jahrhundert, dem zentralen Ziel der Policy-Didaktik.

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Anmerkungen

[1]

Das verweist auf den Aspekt der Kontinuität von Policy-Didaktik und (traditioneller) Politikdidaktik, wie er in dem Abschnitt zur Einordnung des Ansatzes in die politikdidaktische Diskussion zur Sprache kommt. Die folgende Tabelle konkretisiert die hilfreiche Rolle einiger didaktischer Prinzipien bei der Themenauswahl:
 


 
Mehr als andere umweltpolitische Themen ist das Thema Klimawandel seit einigen Jahren präsent. Das gilt für die Medien, es gilt aber auch für die Alltagskommunikation. Das Thema knüpft also an Erfahrungen und Interessen der Adressaten an, und zwar in stärkerem Maße als Themen wie Desertifikation, Verlust der Artenvielfalt etc.
 

 
Unzweifelhaft handelt es sich beim Klimawandel um eines der zentralen Probleme der Menschheit, die einer Lösung harren. Das Prinzip, dass politische Bildung von realen Problemen ausgehen soll, wird also befolgt. Das weitere Erfordernis im Kontext dieses Prinzips, nämlich dass vorrangig Wissen und Kompetenzen vermittelt werden sollen, die zur Problembearbeitung erforderlich sind, spielt bei der Planung und Durchführung der Unterrichtseinheit eine große Rolle, weniger bei der Themenauswahl.
 

 
Da politische Themen nie erschöpfend behandelt werden können, bildet Exemplarität ein zentrales didaktisches Prinzip. Eine sinnvolle Stoff- und Komplexitätsreduktion vorzunehmen, kann wohl als die eigentliche Kunst der Politikvermittlung (und auch der Wissensvermittlung überhaupt) bezeichnet werden. Kriterien für eine gelungene Auswahl sind, dass sie schüler- und problembezogen ist (was erfüllt ist, siehe oben), dass der ausgewählte Aspekt exemplarisch für das Thema ist, das heißt im Fall der politischen Bildung insbesondere, dass der "politische Kern" des Themas in den Mittelpunkt rückt. Das ist beim Thema Klimawandel der Fall. Zentrale Konfliktlinien wie Nord-Süd-Konflikt oder das Spannungsverhältnis von Ökonomie und Ökologie lassen sich problemlos erkennen und herausarbeiten.
 

 
Dieses Prinzip besagt, dass politische Bildung von aktuellen Problemen ausgehen soll. Das ist beim Klimawandel ohne Zweifel der Fall. Zeitung und Fernsehnachrichten sind voll von Themen, die als aktuelle Aufhänger oder Einstiege Verwendung finden können (Elbeflut, hurricane etc.). Dadurch kann das Thema Klimawandel, das auch die ähnlich gelagerten Auswahlkriterien Betroffenheit und Bedeutsamkeit erfüllt, eine Steigerung der Motivation seitens der Adressaten erreichen.
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[2]

Joachim Detjen, Internationale Beziehungen - Ein vernachlässigtes Feld der politischen Bildung; in: Siegfried Frech/Wolfgang Hesse/Thomas Schinkel (Hg.), Internationale Beziehungen in der politischen Bildung, Schwalbach/Ts 2000, S. 191.
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[3]

Diese zweite Perspektive liegt dem vom Autor entwickelten Online-Lehrbuch zum Thema Nachhaltigkeit zugrunde, das anlässlich des Beginns der UN-Dekade "Bildung für nachhaltige Entwicklung" 2005 auf dem Internationalen UNESCO Bildungsserver D@dalos veröffentlicht wurde. Die URL der deutschen Sprachversion lautet http://www.dadalos-d.org/nachhaltigkeit.

Wohl zu keinem anderen Thema stehen derart viele, häufig kostenlose Materialien zur Verfügung wie zum Thema Umweltschutz bzw. Nachhaltigkeit. Eine kleine Auswahl zu der auf dieser Seite skizzierten Unterrichtseinheit zum Klimawandel bietet die folgende Liste.

Die Bundeszentrale für politische Bildung stellt regelmäßig Publikationen zum Thema zur Verfügung. Besonders gelungene Werke sind:

  • Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie (Hg.), Fair Future. Begrenzte Ressourcen und globale Gerechtigkeit, Bundeszentrale für politische Bildung Schriftenreihe Band 533, Bonn 2005.

  • Dietrich Jörn Weder, Umwelt. Bedrohung und Bewahrung, Bundeszentrale für politische Bildung Zeitbilder, Bonn 2003.

  • Marc Fritzler, Ökologie und Umweltpolitik, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1997.

  • Peter J. Opitz (Hg.), Weltprobleme, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 19954.

An didaktisch aufbereiteten Materialien bietet die Bundeszentrale u.a.:

  • Umweltpolitik, Informationen zur politischen Bildung 287, Bonn 2005, Online-Version.

  • Umweltfragen, Thema im Unterricht, Bonn 1997.

In der wöchentlich erscheinenden Zeitschrift "Aus Politik und Zeitgeschichte" (Beilage zu "Das Parlament") finden sich häufig Beiträge zu umweltpolitischen Themen, die auch im Volltext online zur Verfügung stehen, u.a. die folgenden:

  • Günther Bachmann, Nachhaltigkeit: Politik mit gesellschaftlicher Perspektive; in: Aus Politik und Zeitgeschichte 31-32/2002, S. 8-16, Online-Version.

  • Ottmar Edenhofer, Wege zu einer nachhaltigen Klima- und Energiepolitik; in: Aus Politik und Zeitgeschichte 27/2003, S. 18-26, Online-Version.

  • Ulrich Grober, Die Idee der Nachhaltigkeit als zivilisatorischer Entwurf; in: Aus Politik und Zeitgeschichte 24/2001, S. 3-5, Online-Version.

  • Ulrich Grober, Konstruktives braucht Zeit. Über die langsame Entdeckung der Nachhaltigkeit; in: Aus Politik und Zeitgeschichte 31-32/2002, S. 3-7, Online-Version.

  • Ulrich Grober, Das gute Leben neu denken. Kulturelle Ressourcen für ein solares Zeitalter; in: Aus Politik und Zeitgeschichte 37/2004, S. 25-30, Online-Version.

  • Klaus Hermanns, Die Lokale Agenda 21. Herausforderung für die Kommunalpolitik; in: Aus Politik und Zeitgeschichte 10-11/2000, S. 3-12, Online-Version.

  • Hans-Jochen Luhmann/Manfred Fischedick, Renewables, adaptationspolitisch betrachtet; in: Aus Politik und Zeitgeschichte 37/2004, S. 18-24, Online-Version.

  • Eick von Ruschkowski, Lokale Agenda 21 in Deutschland - eine Bilanz; in: Aus Politik und Zeitgeschichte 31-32/2002, S. 17-24, Online-Version.

  • Joachim H. Spangenberg/Sylvia Lorek, Sozio-ökonomische Aspekte nachhaltigkeitsorientierten Konsumwandels; in: Aus Politik und Zeitgeschichte 24/2001, S. 23-29, Online-Version.

  • Dennis Tänzler/Alexander Carius, Perspektiven einer transatlantischen Klimapolitik; in: Aus Politik und Zeitgeschichte 27/2003, S. 12-17, Online-Version.

Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit stellt zahlreiche Publikationen und Dokumente kostenlos zur Verfügung. die auf der Website des Ministeriums (www.bmu.de) angefordert werden können, z.B.:

  • Bericht des Weltgipfels für nachhaltige Entwicklung (Johannesburg 2002)

  • Agenda 21 (Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung, Rio de Janeiro 1992)

  • Klimakonvention, Konvention über die biologische Vielfalt, Rio-Deklaration, Walderklärung (Rio 1992)

  • Klimawandel und Konflikte (2002)

  • Durchblick: Was hat unser Alltag mit der Umwelt zu tun? (Didaktische Materialien für Kinder und Jugendliche)

  • Auf dem Sprung. Chancen für Erneuerbare Energien (CD-ROM)

  • Stichwort Nachhaltigkeit. Der Zukunft eine Chance (Broschüre)

  • Nachhaltige Mobilität. Leitlinien des Bundesumweltministeriums (Broschüre)

  • 300 Mal Umwelt im Internet. Eine Orientierungshilfe (Broschüre)

  • Klimaschutz - global und lokal. Herausforderung für das 21. Jahrhundert (Broschüre)

Ebenfalls kostenlos angefordert werden können die Berichte zur Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung:

  • Perspektiven für Deutschland. Unsere Strategie für eine nachhaltige Entwicklung, Fortschrittsbericht 2004.

Die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg hat ebenfalls einige interessante Publikationen zum Thema vorzuweisen:

  • Nachhaltige Entwicklung; Der Bürger im Staat 2/1998.

  • Staunen, was die Zukunft bringt. Beiträge der Technik zu einer nachhaltigen Entwicklung; Politik & Unterricht 3/2003.

  • Agenda 21. Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung; Politik & Unterricht 4/1999.

  • Internationale Klimapolitik; Politik & Unterricht 1/1995.

Mehrere Ausgaben der Wochenschau beschäftigen sich mit Umweltthemen, von besonderer Relevanz für die hier skizzierte Unterrichtseinheit ist das Heft "Klimaschutz" (Sek. I + II) aus dem Jahr 2003.

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