Als das grundlegende Problem beim
Umgang mit Globalisierung kann die begriffliche Unschärfe gelten. Der
Begriff entzieht sich jedem eindeutigen Definitionsversuch
und wird nicht nur inhaltlich, sondern sogar
hinsichtlich der Diskursebene unterschiedlich,
teilweise sogar widersprüchlich verwendet bzw.
instrumentalisiert (»
Einleitung).
Die daraus resultierende Unzugänglichkeit der Thematik
wird von der realen, vor allem aber der kognitiven Distanz
verschärft. Häufig geht es im Zusammenhang mit
Globalisierung um abstrakte Entwicklungen, für die keine
verantwortlichen Akteure identifiziert werden können.
Das erschwert die erfolgreiche Umsetzung zentraler
didaktischer Prinzipien wie Schüler-, Interessen- oder
Handlungsorientierung. Ohne intensive Arbeit an Begriff
und Rhetorik der Globalisierung wird man gar nicht zum
politischen Kern der Thematik vorstoßen
(»
Distanz).
Aus der enormen Dynamik der
Globalisierungsdebatte resultieren weitere Probleme.
Wer vermag dieser
ausufernden Debatte in Öffentlichkeit und
Wissenschaft noch zu folgen,
zumal sich diese im Rahmen verschiedener Disziplinen abspielt
und schnell wechselnden Konjunkturen unterworfen ist (»
Dynamik).
Globalisierung bedeutet Entgrenzung, und noch fehlen den
Bezugswissenschaften der politischen Bildung angemessene
Kategorien, um die neuen Realitäten begrifflich
einfangen zu können. Dieses Problem der
Nationalstaats-Fixierung kann analog für das andere
Beispielthema - die EU als fortgeschrittensten Fall von
Entgrenzung - identifiziert werden (siehe rechte Spalte)
(»
Nationalstaats-Fixierung).
Die Instrumentalisierung von Globalisierung, die schon
sprichwörtlichen "Sachzwänge des Weltmarkts" erschweren
die Vermittlung der Thematik weiter. Diese Aspekte
werden hier unter der Überschrift Legenden
angeführt und sich natürlich eng verbunden mit dem
Grundproblem der begrifflichen Unschärfe und der Dynamik
der Debatte.
Das Vorwissen zum medial allgegenwärtigen Thema
Globalisierung ist - begünstigt durch die anderen
angeführten Probleme - durchsetzt von Legenden
und Vorurteilen (»
Legenden).
Woraus resultiert die Komplexität der Thematik
als ein zentrales Vermittlungsproblem? Die entsprechende
Seite kann sich diesem Aspekt nur andeutungsweise nähern.
Aufgezeigt werden verschiedene Ursachen (Multikausalität),
Dimensionen (Multidimensionalität) und Folgeprobleme,
die in der Globalisierungsliteratur häufig genannt
werden. Einige wenige beispielhafte Verknüpfungen deuten
die enorme Bandbreite an Ursache-Wirkungs-Ketten an,
wobei auch paradoxe Verknüpfungen zu verzeichnen sind (»
Komplexität).
Das
zentrale Problem, das sich jedem stellt, der sich mit
Globalisierung beschäftigt oder Globalisierung gar als
politische Bildnerin vermitteln soll, besteht darin,
dass die Referenzebene fehlt, um Phänomene
vergleichen oder einordnen zu können. Geht es um
"Globalisierung" auf der inhaltlichen oder der
rhetorischen Ebene?
Beschränkt man sich auf die konzeptionell-inhaltliche Ebene, bieten
sich Vergleiche mit anderen sozialwissenschaftlichen
Konzepten wie Modernisierung oder
Industrialisierung an. Allerdings läuft man dann Gefahr, den
politischen Kern des Themas zu verfehlen, nämlich die Debatte darüber,
was Globalisierung ist, verstanden als Debatte darüber, wie wir die
Zukunft gestalten wollen. Beschränkt man sich auf die rhetorische
Ebene, bleibt das Thema inhaltsleer ... (»
fehlende Referenzebene).
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Ein erstes Vermittlungsproblem stellt die geographische und mentale
Distanz zur EU dar, die durch nach wie vor mangelnde
Medienberichterstattung verschärft wird. Wichtige didaktische
Prinzipien wie Schüler- bzw. Teilnehmerorientierung, Interessen- oder
Handlungsorientierung sind angesichts der Distanz zum "fernen Brüssel"
schwer umzusetzen, hilfreiche Kategorien wie Betroffenheit (die ja
tatsächlich besteht) können nicht vorausgesetzt, sondern müssen erst
mühsam vermittelt werden (»
Distanz).
Die Dynamik, die ständige Veränderung des EU-Systems bildet ein
zweites, außerordentlich wichtiges Problem, aus dem zahlreiche
praktische, kognitive und didaktische Probleme
resultieren:
Schul- oder
Lehrbücher sind oft schon überholt, wenn sie auf den Markt kommen.
Lehrerinnen und Multiplikatoren müssten sich permanent weiterbilden,
um mit der Entwicklung Schritt halten zu können (»
Dynamik).
Mit der Nationalstaats-Fixierung von
Sozialwissenschaften und politischer Bildung ist ein drittes Problem
benannt. Es fehlen Begriffe und Kategorien, um die neuen, entgrenzten
Realitäten beschreiben und analysieren zu können. Der politische
Bildner steht vor der unbefriedigenden Wahl: Entweder er entscheidet sich für einen
Autor, verwendet dessen Begriffe, übernimmt damit zwangsläufig auch
dessen Perspektive, oder er versucht gemäß den Prinzipien der
Wissenschaftsorientierung und Kontroversität die gegenwärtig
chaotische Situation in der primären Bezugswissenschaft im Unterricht
oder Seminar zu berücksichtigen, was einen Lernerfolg äußerst
unwahrscheinlich werden lässt (»
Nationalstaats-Fixierung).
Legenden und Vorurteile bilden eine weitere,
vierte Kategorie an Vermittlungsproblemen. Die EU wird als Sündenbock
instrumentalisiert und hat ein schlechtes Image. Zusammen mit der
Tatsache, dass wenig Vorwissen zum Gegenstand EU vorausgesetzt
werden muss, macht das die Aufgabe der
politischen Bildnerinnen nicht eben einfacher (»
Legenden).
Sicherlich zu den zentralen Problemen zählt die Komplexität des
EU-Mehrebenensystems mit seiner ausgeprägten funktionalen
Differenzierung. Dem Verständnis eines derart komplexen Systems
sind kognitive und praktische Grenzen gesetzt. Außerdem stellen die Besonderheiten des
EU-Systems die politische Bildung vor das grundsätzliche Problem
des Umgangs mit verflochtenen Mehrebenensystemen, was Folgen weit über
den Umgang mit der EU im Unterricht hat (z.B. das Erfordernis der
Einbeziehung der europäischen und globalen Ebene bei der Behandlung
des eigenen politischen Systems) (»
Komplexität).
Als zentrales Vermittlungsproblem kann gelten, dass
bei der Beschäftigung mit dem EU-System, einem Gebilde sui generis,
die Referenzebene fehlt. Schon für die Analyse des
Problems - ganz zu schweigen von der Lösung - fehlt eine tragfähige
Referenzebene. Mit wem oder was soll erkenntnissteigernd verglichen
werden? Die traditionelle Dichotomie
Bundesstaat-Staatenbund hält den Blick in Kategorien gefangen, die dem
"Westfälischen Staatensystem" entstammen und die Realität nicht mehr
sinnvoll abzubilden in der Lage sind. Dasselbe gilt für die Kategorien
"politisches System eines Nationalstaats" versus "Internationale
Organisation". Die EU umfasst sowohl Elemente beider Kategorien als
auch Elemente, die sich weder in die eine noch in die andere Kategorie
einordnen lassen (»
fehlende Referenzebene).
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