Dissertation   Wie kann man komplexe Themen wie Globalisierung oder europäische Integration vermitteln?

 

 

(» Ragnar Müller)

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 Grundprobleme der Vermittlung von Globalisierung (II):  

 Distanz

Fusionen multinationaler Konzerne, die gerade in der deutschen Globalisierungsdiskussion vorherrschende Standortdebatte, hochabstrakte Themen wie die Erosion des Nationalstaats - viele Aspekte dessen, was in den Themenbereich Globalisierung fällt, sind (scheinbar) beträchlich weit entfernt von Schülerinnnen, Teilnehmern oder Studierenden. Das gilt teilweise geographisch (ähnlich wie im Fall der EU, » siehe den entsprechenden Abschnitt), v.a. aber kognitiv. Was bedeutet das?

Die kognitive Distanz, die Unzugänglichkeit der Thematik resultiert wesentlich daraus, dass es - zumindest auf den ersten Blick und ab einem bestimmten Abstraktionsniveau - nicht um Entscheidungen geht, die bestimmten Akteuren zugerechnet werden können.
[1]

Um nur ein Beispiel zu nennen: Es lässt sich kein(e) Akteur(sgruppe) identifizieren, der (die) dafür sorgt, dass die Nationalstaaten erodieren. Dafür sind nach herrschender Meinung die technologische Entwicklung (Atombombe, Internet etc.) oder der Markt oder einfach der Lauf der Dinge verantwortlich. Teilweise wird man sich angesichts solch unpersönlicher Kausalketten fragen müssen, ob man nicht der "neoliberalen Verschleierungstaktik" aufsitzt, wie sie an anderer Stelle im Rahmen dieser Arbeit skizziert wird (
» zur entsprechenden Anmerkung).

Probleme der Vermittlung von Globalisierung:

» Einleitung

» Nationalstaats-Fixierung
» Distanz
» Dynamik
» Legenden
» Komplexität
» fehlende Referenzebene


Probleme der EU-Vermittlung:

» Einleitung

» Nationalstaats-Fixierung
» Distanz
» Dynamik
» Legenden
» Komplexität
» fehlende Referenzebene
 



Aber selbst dann bleibt das Problem der Verantwortlichkeit ungelöst, denn auch die profiliertesten Vertreter der Globalisierungskritik - besser: der Kritik am Neoliberalismus - bleiben eine Antwort auf die Frage schuldig, wer - aus welcher Interessenlage heraus und zu was für einem Zweck - die diagnostizierten Verwerfungen herbeiführt. [
2]

Diesem Problem der kognitiven Distanz leisten natürlich andere der aufgezeigten Vermittlungsprobleme Vorschub. Zu denken ist hier vor allem an die begriffliche Unklarheit als dem Grundproblem der Vermittlung von Globalisierung (
» siehe entsprechender Abschnitt), an die fehlenden Kategorien zur Analyse der Phänomene (» Nationalstaats-Fixierung) und an die Komplexität der Thematik auf mehreren Ebenen (» Komplexität). Das macht nachdrücklich deutlich, wie eng die hier aus analytischen Gründen unterschiedenen Kategorien zusammenhängen.


 Folgeprobleme für die Vermittlung von Globalisierung

Leicht abgewandelt liesse sich das Zitat ("Die EU ist als politischer Raum für die Bürger weitgehend unsichtbar und unzugänglich." [
3]), das im analogen Abschnitt zur Distanz als Problem der EU-Vermittlung Verwendung findet, auch auf die Probleme der Vermittlung von Globalisierung übertragen. Wo findet man den politischen Raum, wenn Entwicklungen wie das Ende des Kalten Krieges Prozesse verursachen, die mit Globalisierung bezeichnet werden?

Wichtige didaktische Prinzipien wie Schüler- bzw. Teilnehmerorientierung, Interessen- oder Handlungsorientierung sind angesichts der realen oder kognitiven Distanz zum abstrakten Thema Globalisierung schwer umzusetzen, hilfreiche Kategorien wie Betroffenheit (die ja tatsächlich besteht) können nicht vorausgesetzt, sondern müssen erst mühsam vermittelt werden. Ohne intensive Arbeit an Begriff und v.a. Rhetorik der Globalisierung wird man gar nicht zum (politischen) Kern der Thematik vorstoßen. [
4]

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Anmerkungen:

[1]

Besonders drastisch kommt das im jüngsten Werk ZYGMUNT BAUMANS zum Ausdruck, das den "menschlichen Abfall", der vom ökonomischen Fortschritt produziert wird, in den Mittelpunkt einer (anderen) Geschichte der Moderne stellt. Dort heißt es: "Niemand gibt die Befehle, niemand trägt die Verantwortung, wie der verblüffte, verzweifelte Kleinbauer in John Steinbecks Roman Früchte des Zorns (1939) zu seiner großen Bestürzung einsehen musste: Kampfbereit hat er sich mit dem Gewehr in der Hand zur Verteidigung seiner mittlerweile 'wirtschaftlich unrentablen' Farm aufgestellt, doch da ist kein einziger böswilliger Verursacher all seiner Qualen und seiner Verzweiflung, auf den er schießen könnte. Die Produktion menschlichen Abfalls ist nur eine Nebenhandlung des wirtschaftlichen Fortschritts und trägt alle Kennzeichen eines unpersönlichen, rein technischen Geschehens. Die Hauptakteure des Dramas heißen 'Terms of Trade', 'Markterfordernisse', 'Konkurrenzdruck', 'Produktivitäts-' oder 'Effizienz-'Erfordernisse, allesamt Begriffe, die jegliche Verbindung mit Absichten, Willen, Entscheidungen und Handlungen wirklicher Menschen mit Namen und Adresse entweder kaschieren oder explizit verneinen" (Zygmunt Bauman, Verworfenes Leben. Die Ausgegrenzten der Moderne, Hamburg 2005, oder Bundeszentrale für politische Bildung Schriftenreihe Band 524, Bonn 2005, S. 58-59).
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[2]

Zu einem beliebten Feindbild der Globalisierungskritik sind die Bretton-Woods-Organisationen avanciert, namentlich der IWF und die GATT-Nachfolgeorganisation WTO. Dabei handelt es sich - an diesen schlichten Sachverhalt sei erinnert - um Internationale Organisationen, deren Mitglieder Staaten sind. Wie es im Fall des EU-Mehrebenensystems zu undifferenziert ist, davon zu sprechen, dass "die EU" etwas entschieden habe (obwohl es im Fall der EU gerechtfertigt sein kann, da die EU mittlerweile weit mehr ist als eine "bloße" Internationale Organisation), macht auch die Aussage, der IWF habe etwas entschieden, wenig Sinn.
Beispielhaft für zahlreiche Publikationen, die Fehler und Versäumnisse etwa der IWF-Programme aufzeigen und teilweise heftig kritisieren, ohne aber deutlich machen zu können, wer mit welchen Interessen und Zielen "dahintersteckt", seien folgende einflussreiche Titel genannt:
Noam Chomsky, Profit Over People. Neoliberalismus und globale Weltordnung, München 2002.
Michel Chossudovsky, Global brutal. Der entfesselte Welthandel, die Armut, der Krieg, Frankfurt/Main 2002.
Etwas differenzierter argumentiert folgender Titel:
Joseph Stiglitz, Die Schatten der Globalisierung, München 2002.

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[3]

Beate Kohler-Koch, Einleitung. Effizienz und Demokratie: Probleme des Regierens in entgrenzten Räumen; in: dies. (Hg.), Regieren in entgrenzten Räumen, PVS-Sonderheft 29/98, Opladen 1998, S. 19.
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[4]

Eigene Versuche der didaktischen Umsetzung der Globalisierungsthematik versuchen, dem Rechnung zu tragen, und enthalten umfangreiche Teile zum Begriff und zur öffentlichen Debatte um Globalisierung:
RAGNAR MÜLLER,
Globalisierung unterrichten. Foliensatz, Arbeitsblätter und Internetaufgaben mit Lösungen und Kommentaren, Gesellschaft Agora, Stuttgart 2003.
RAGNAR MÜLLER, Arbeitsblätter Politik: Globalisierung, Stuttgart 2003.
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