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Grundprobleme
der Vermittlung von Globalisierung (IV):
Legenden
"Globalisierung ist sicher das am meisten gebrauchte -
missbrauchte - und am seltensten definierte, wahrscheinlich
missverständlichste, nebulöseste und politisch wirkungsvollste
(Schlag- und Streit-) Wort der letzten, aber auch der kommenden
Jahre", so fasst Ulrich Beck die Problematik zusammen.
[1]
Die Wucht, mit der das Thema bzw. die Rede von "Globalisierung"
Eingang in alle erdenklichen Debatten gefunden hat (»
siehe Dynamik),
die Unbestimmtheit des Begriffs, besonders die
an anderer Stelle
dargestellte rhetorische Dimension - verstanden als
Instrumentalisierung des Begriffs für unterschiedlichste
Interessen -, bereitet der Legendenbildung einen denkbar
fruchtbaren Nährboden.
Die schon
sprichwörtlichen "Sachzwänge"
Unpopuläre politische Maßnahmen, beispielsweise Kürzungen im
Sozialwesen, werden mit dem Verweis auf angebliche "Sachzwänge" im
weltweiten "Standortwettbewerb" des "globalen Zeitalters" begründet.
Das Gleiche gilt für die Ankündigung von Stellenabbau seitens von
Unternehmen. Diese Beispiele brauchen hier weder ergänzt noch
vertieft, geschweige denn bewertet [2] werden -
festzuhalten bleibt, dass sich bei der Zeitungsleserin bzw. dem
Fernsehzuschauer der Eindruck verfestigt, Globalisierung sei eine
bedeutende externe Macht, die uns zu unliebsamen Anpassungsmaßnahmen
zwingt. |
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"Eine andere Welt ist möglich"
Genau diesen Argumentationsmustern begegnen die
Globalisierungskritiker - am prominentesten inzwischen das Netzwerk
Attac [3] - mit der Parole "Eine andere Welt ist
möglich". Auch sie schaffen einen verzerrten Globalisierungsbegriff,
der medial mittlerweile sogar die Oberhand zu gewinnen scheint (»
siehe Dynamik). Neben
sachlicher und berechtigter Kritik - etwa an Entscheidungsprozessen im
Rahmen der WTO-Verhandlungsrunden - sind dabei auch obskure
"Verschwörungstheorien" zu beobachten. Letztere werden natürlich von
den Medien besonders begierig aufgegriffen.
Hier entsteht beim Zeitungsleser bzw. bei der Fernsehzuschauerin der
Eindruck, "hinter der Globalisierung" stünden dunkle Mächte, die
abgeschottet in Glaspalästen über das Schicksal der Welt entscheiden
und die Demokratie zu Grabe tragen. Sowohl dieser wie auch der oben
festgehaltene Eindruck des Mediennutzers enthält natürlich das
berühmte "Körnchen Wahrheit", beide sind aber einseitig, und vor allem
resultiert aus beiden ein negatives "Image" der Globalisierung.
[4]
Parallelen zum Thema EU
Die Parallelen zur EU, wie sie im
analogen
Abschnitt zu "Legenden" als Problem der EU-Vermittlung im Rahmen
dieser Arbeit aufgezeigt wurden, sind deutlich. Wie "die EU" muss auch
"Globalisierung" als Sündenbock für unliebsame Entscheidungen
herhalten. Wie im Falle der EU muss aber auch hier in Rechnung
gestellt werden, dass sich der Verweis auf "die Globalisierung" ebenso
als bewusste politische Strategie, als "Ausdruck einer gezielten
Politik der Neuen Staatsräson deuten lässt". [5]
Wie im Falle der EU muss schließlich darauf verwiesen werden, dass
diese Legenden in engem Zusammenhang mit den anderen Kategorien an
Vermittlungsproblemen gesehen werden müssen, die sich wechselseitig
verstärken. Zu denken wäre hier inbesondere an
-
die Unbestimmtheit, Ambivalenz und
Umstrittenheit von Globalisierung als dem Grundproblem bei der
Vermittlung (»
Einleitung:
Vermittlungsprobleme);
-
die Komplexität der Thematik, ihre
Multidimensionalität und Multikausalität, verbunden mit paradoxen
Aspekten (»
Komplexität);
-
die fehlenden Begriffe zur Beschreibung
"transnationaler" Phänomene (»
Nationalstaats-Fixierung)
und vor allem die fehlende Referenzebene für Einordnung und Vergleich
(» fehlende
Referenzebene).
Folgeprobleme für die Vermittlung von
Globalisierung
Das Vorwissen zum medial allgegenwärtigen Thema
Globalisierung ist (notwendigerweise) durchsetzt von Legenden
und Vorurteilen. Das gilt natürlich auch für die
Lehrenden. Hierin liegt ein potenzielles
Problem, wenn Transformationsprozesse sachlich behandelt werden sollen
(inhaltliche Dimension), diese Tatsache lässt sich aber auch als
Chance begreifen: Einen fundierten Überblick über die
Globalisierungsdebatte seitens des Lehrenden vorausgesetzt, kann die
Behandlung von Globalisierung in media res - bei der
interessegeleiteten Instrumentalisierung des Begriffs (rhetorische
Dimension) - ansetzen: "[Globalization] means precisely whatever the
user says it means." [6]
Beide Dimensionen können das didaktische Prinzip der Exemplarität
erfüllen, allerdings auf unterschiedliche Weise. Je nachdem, welche
Dimension man wählt, stößt man auf einen anderen politischen
Kern der Thematik. Neben den hohen Anforderungen an den Lehrenden
liegt das Problem wesentlich darin, dass man dem Thema wohl nur
gerecht werden kann, wenn man beide Dimensionen einbezieht. Angesichts
der Komplexität und Verschwommenheit der Thematik dürfte sich das in
der Praxis besonders schwierig darstellen.
[Seitenanfang]
Anmerkungen:
[1] |
ULRICH BECK, Was ist Globalisierung? Irrtümer des Globalismus -
Antworten auf Globalisierung, Frankfurt/Main 1997, S. 42.
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|
[2] |
Nach und nach werden empirisch
fundierte Studien vorgelegt, die gängige Kausalketten entkräften
oder relativieren. Für die wohlfahrtsstaatliche Dimension in
Deutschland vgl. etwa:
Elmar Rieger/Stephan
Leibfried, Grundlagen der Globalisierung. Perspektiven des
Wohlfahrtsstaates, Frankfurt/Main 2001.
Sehr lehrreiche Ansätze einer systematisch wissenschaftlichen
Analyse dieser Thematik bietet folgender Aufsatz:
COLIN HAY/BEN ROSAMOND, Globalization, European
integration and the discursive construction of economic
imperatives; in: Journal of European Public Policy 9, 2/2002, S.
147-167.
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|
[3] |
Die deutsche Sektion von Attac hat
2002 eine Erklärung entworfen, die das Globalisierungsverständnis
und die Ziele der Bewegung verdeutlicht. Der Text findet sich im
Internet unter
https://www.attac-netzwerk.de/erklaerung/erklaerung.php
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|
[4] |
Die ausgeprägte rhetorische
Dimension hat auch dazu geführt, "dass der Begriff der
Globalisierung nach anfänglichen Berührungsängsten und
anschließender überschwänglicher Umarmung von den
Sozialwissenschaften mittlerweile schon fast wieder distanziert
behandelt wird" (JÖRG DÜRRSCHMIDT, Globalisierung, Bielefeld 2002,
S. 6). CLAUS LEGGEWIE beginnt das erste Kapitel seines Buches "Die
Globalisierung und ihre Gegner" mit dem Diktum: "Globalisierung
ist zu einem unbrauchbaren Schlagwort verkommen" (München 2003, S.
16). Diese Einschätzung findet sich zwischenzeitlich häufig in der
wissenschaftlichen Literatur, im angelsächsischen Sprachraum
spricht man "ernüchtert und mit einem gewissen Zynismus von
'globaloney', dem sterilen und leeren Geschwafel über
Globalisierung" (JÖRG DÜRRSCHMIDT, Globalisierung, Bielefeld 2002,
S. 6).
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|
[5] |
Klaus Dieter Wolf, Die Neue Staatsräson -
Zwischenstaatliche Kooperation als Demokratieproblem in der
Weltgesellschaft, Baden-Baden 2000, S. 61.
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|
[6] |
R. J. BARNET/J. CAVANAGH,
Global Dreams. Imperial Corporations and the New
World Order, New York
1994,
S. 14.
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